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09. Mai 2025

 

Artikel über WeitWandern im Berner Landboten.

 

Bescheidener Anfang

Die Basis für die spätere Genossenschaft Weitwandern sei vor 40 Jahren im Sommer 1985 gelegt worden, sagt der Wanderleiter Stephan Zürcher. Damals durchquerte der heute 61-Jährige zusammen mit seinem fünf Jahre älteren Bruder Markus die Pyrenäen von West nach Ost. «Dieses Erlebnis hat uns zusammengeschweisst und gegenseitiges Vertrauen geschaffen.» Das Grenzgebirge zwischen Frankreich und Spanien war noch wilder als heute. Es gab nur wenige, meistens recht primitive Hütten. Die beiden Berner Brüder waren mit schweren Rucksäcken in der Gebirgslandschaft zwischen dem Golf von Biskaya und dem Mittelmeer unterwegs: mit genügend Nahrung, Kocher und Zelt zum Biwakieren.

Nach mehreren Wochen kehrten sie begeistert zurück in die Schweiz. Ein Tourenanbieter nahm die Durchquerung der Pyrenäen ins Programm auf, Stephan und Markus Zürcher leiteten sie für jeweils eine Handvoll von Abenteuerlustigen. Es war die Zeit, als die Pyrenäen als Wander- und Klettergebirge für ein grösseres Publikum entdeckt wurden. Die Anzahl der Unterkünfte nahm zu, die Gebrüder Zürcher wollten nun auch eine «Komfortvariante» mit Übernachtungen in Hütten anbieten. Dazu machten sie sich 1993 selbstständig und veröffentlichten das erste Programm unter dem Namen «Weitwandern, die andere Art zu reisen». Es wurde in der Schule von Aeschi gedruckt, ging an hundert Adressen und verkündete in der Einleitung: «Zu Fuss unterwegs sein ist die ursprünglichste Fortbewegungsart des Menschen. Als Fussgänger erleben wir die Landschaft am intensivsten.»

Die Anfänge waren bescheiden. Ausser in den Pyrenäen blieb die Teilnehmerzahl klein. Sie liessen sich aber nicht entmutigen. Beide waren noch in ihren angestammten Berufen als Erlebnispädagoge und Lehrer tätig. In den Ferien lebten sie einen Traum mit offenem Ausgang: «Mit jungunternehmerischem Mut wagten wir einfach den Versuch, etwas Neues zu machen, und waren von Jahr zu Jahr gespannt, wie sich das Ganze entwickeln würde.»

Sie besetzten dabei die Nische zwischen den anspruchsvollen Angeboten der Bergsportschulen und der auf ein grosses Publikum ausgerichteten etablierten Anbieter von Wanderferien. «Wichtig war uns, das Element des klassischen Trekkings mit einem stärkeren Bezug auf die natürlichen, kulturellen und kulinarischen Eigenschaften der durchwanderten Regionen zu verbinden», erklärt Stephan Zürcher.

Höhen und Tiefen

Das Unternehmen überlebte. 1999 wurde es in die Rechtsform einer Genossenschaft gegossen. Das Programm wurde umfangreicher und vielfältiger, die Zahl der Gäste wuchs. Sie boten Wanderreisen in der Schweiz, in Frankreich, Italien, weiteren europäischen Ländern und Marokko an. Bald konnten die Gäste auch Schneeschuhtouren buchen, dank denen laut Stephan Zürcher der Turnaround zustande kam. Heute bieten rund 20 Leiterinnen und Leiter über 80 Wander- und Schneeschuhtouren unter dem Dach von Weitwandern an. Die Genossenschaft mit Sitz in Spiez funktioniert für sie als eine Art Plattform. Die Wanderführer konzipieren und organisieren ihre Touren selber, Weitwandern koordiniert die Vorschläge und sorgt dafür, dass das Angebot geografisch und jahreszeitlich gut verteilt ist und der Mix zwischen anspruchsvollen und gemütlicheren Touren stimmt. Sie übernimmt ausserdem administrative Aufgaben wie die Preisgestaltung, die Buchungen und das Inkasso. Die Genossenschaft hat Höhen und Tiefen erlebt und überlebt. Die schwierige Coronazeit überbrückte sie wie viele Reiseanbieter mit der Kurzarbeitsentschädigung des Bundes und dank der Kunden, die sich kurzfristig für die Ersatzangebote in der Schweiz anmeldeten. Das Übernahmeangebot eines grossen Mitbewerbers schlug sie aus. Auch die anspruchsvolle Suche nach einer Nachfolgelösung für den langjährigen Geschäftsführer Markus Zürcher, der 2024 pensioniert wurde, war schliesslich von Erfolg gekrönt. Die neue, aus drei Personen bestehende Leitung hat den Auftritt modernisiert, wie Co-Geschäftsleiter und Wanderleiter Jörg Hehlen erklärt: «Wir haben Homepage, Newsletter und das gedruckte Programm aufgefrischt, die Onlinewerbung an eine spezialisierte Firma ausgelagert und die administrativen Abläufe vereinfacht.» Das scheint sich auszuzahlen. Die Genossenschaft, die mehrere hundert Personen vor allem in der Deutschschweiz zu den Stammgästen zählt, erzielte im vergangenen Jahr einen Rekordumsatz. Im geführten Wanderwesen hat derweil eine Professionalisierung stattgefunden. Seit 2011 gibt es den eidgenössischen Fachausweis für Wanderleiter, den alle Führer im Team von Weitwandern besitzen.

Bewährtes und Innovation

Jörg Hehlen betont, dass das neue Kernteam Bewährtes aus der Gründerzeit beibehalten will. So sind Leiterinnen und Leiter weiterhin mit Kleingruppen von bis zu zehn Personen unterwegs. Sie achten konsequenter als andere Anbieter auf naturverträgliche Reisen abseits der grossen Touristenströme. Mit dazu zählt die Anreise mit Bahn und Bus und falls nötig mit lokalen Taxiunternehmen. Flugreisen sind tabu. Die Weitwanderungen durch die Pyrenäen gehören heute noch zum Programm und sind fast immer frühzeitig ausgebucht. Sie waren von Anfang an als Fortsetzungstouren geplant, bei denen die Teilnehmenden das ganze Gebirge im Lauf von sechs Jahren abschnittsweise durchwandern und ihr eigenes Gepäck mittragen. Diese Fortbewegungsart ist zum Markenzeichen der Genossenschaft geworden. Daneben stehen auch kürzere Touren zur Auswahl. Die Vorlieben des Wanderpublikums haben sich verändert. Viele bevorzugen mehr Komfort und einen leichteren Rucksack. Diesem Bedürfnis kommt die Genossenschaft mit Touren in einer stationären Unterkunft entgegen. Innovation spielt auch im Wandersektor eine Rolle. Die Genossenschaft Weitwandern entwickelt deshalb neue Angebote ausserhalb gewohnter Pfade. Dank der Ortskenntnis von einzelnen Tourenleitern bietet sie dieses Jahr erstmals eine Reise in die Berge des Prokletije im Westbalkan an. Zu entdecken gibt es dabei einen Abschnitt des noch wenig bekannten Wegs Via Dinarica, der von Slowenien bis nach Griechenland führt.

www.weitwandern.ch

Der Autor ist Tourenleiter und Verfasser zahlreicher Wanderbücher unter anderem in der Region Bern. Zuletzt hat er den Wander- und Kulturführer «Walserweg Gottardo» verfasst: peterkrebs.ch